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Überalterung treibt Gesundheitskosten in die Höhe
Was können wir uns 2050 noch leisten? In einer Studie hat das Fritz Beske Instituts für Gesundheitssystemforschung in Kiel zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein und dem Institut für Krebsepidemiologie an der Uni Lübeck anhand heutiger Daten hochgerechnet, wie die Gesundheitsversorgung bundesweit und speziell in Schleswig-Holstein im Jahr 2050 aussehen wird. Fazit: Der demographische Wandel wird die Zahl der kranken und pflegebedürftigen alten Menschen in Deutschland extrem anwachsen lassen. Doch es wird an Pflegepersonal und Geld fehlen, um diese Menschen auch nur annähernd auf dem heutigen Niveau zu versorgen.
Das Team um Prof. Dr. Fritz Beske errechnete, das allein in Schleswig-Holstein die Bevölkerung bis 2050 um etwa 15 Prozent abnehmen wird. Der Anteil der älteren Menschen nimmt dabei zu, dadurch bedingt auch bestimmte Erkrankungen (beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz) und Beeinträchtigungen. Heutzutage werden Patienten nach durchschnittlich acht Tagen aus dem Krankenhaus entlassen, im Jahr 2050 wird es laut Studie nur noch 3,8 Krankenhaustage geben. Das bedeutet automatisch einen höheren Aufwand an Betreuung, Pflege und Hilfeleistung, gerade bei alten Menschen. Die Zahl der Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden, werden - jeweils bezogen auf 100.000 Einwohner – jährlich um 131 Prozent, Schlaganfälle um 117 Prozent und die Zahl der Demenzkranken um 189 Prozent jährlich steigen, Die Familie allein kann die Pflege und Betreuung nicht mehr leisten, zumal immer mehr Menschen alleine leben und durch die abnehmende Zahl Erwerbstätiger immer mehr Frauen als Arbeitskräfte gebraucht werden. Für die Pflege der Menschen in Heimen werden 2050 weit mehr als doppelt so viele Pflegekräfte benötigt, doch wer soll das bezahlen?
Will man die Menschen so umfassend wie heute versorgen, würden die Kosten bis 2050 dramatisch ansteigen. Aber: im Jahr 2000 finanzierten 3,7 Erwerbstätige einen Rentner, im Jahr 2050 werden es nur noch 1,5 Erwerbstätige sein. Der Erwerbstätige müsste dann 7700 Euro Krankheitskosten jährlich bezahlen, statt 4350 Euro im Jahr 2000. Bei der Pflegeversicherung würden sich die Kosten sogar verdreifachen.
Prof. Dr. Beske fordert deshalb eine ehrliche Diskussion über das „was unser Gesundheitssystem noch leisten kann“. Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, Ralph Büchner geht davon aus, „dass Leistungen gestrichen werden müssen“. Beide, Beske und Büchner vertreten dabei die Ansicht, dass der Leistungskatalog für alle gekürzt werden muss. Keinesfalls darf darüber diskutiert werden, ob jemand zu alt für eine neue Hüfte ist oder eine aufwändige Krebsbehandlung nur dann bewilligt werden kann, wenn der Patient nicht geraucht hat. Teure und langfristig notwendige Behandlungen müssen ebenfalls weiterhin von den Krankenversicherungen abgedeckt sein, denn „eine Krankheit darf niemals ein Risiko für die Existenz einer Familie oder eines Einzelnen werden“.
Die Krankenkassen kritisieren, dass man die Entwicklung nicht sicher berechnen könne. Doch Prof. Dr. Beske kontert, dass kaum jemand die Zahlen wird widerlegen können. Die Prognosen müssten kontinuierlich überprüft und Handlungsfelder den sich verändernden Bedingungen angepasst werden. Die Schleswig-Holsteinische Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) will mit Prof. Dr. Beske die Konsequenzen der Studie beraten. Das angesprochene Problem sei aber bereits Thema der Gesundheitspolitik.
Quelle: Kieler Nachrichten vom 22.09.2007
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